Arnulf Lindner (2016)

Interview mit Arnulf Lindner

Unter Heather Nova-Fans hat sich Arnulf Lindner in den letzten Jahren schon den Status einer Legende erspielt. Wie zuvor nur die Cellistin Nadia Lanman in den 1990er Jahren sowie die Gitarristin Berit Fridahl hauptsächlich in den 2000er Jahren, begeistert der sympathische Österreicher und musikalische Allrounder seit dem Sommer 2009 die Fans auf den Heather Nova-Konzerten.

Heather schätzt besonders seine Fähigkeit, nahezu alle Instruments spielen zu können, wie sie immer wieder betont. Aber auch seine heiteren Erlebnisse, tiefgründigen Gedanken und philosophischen Erkenntnisse, an denen er die Fans gerne während der Konzerte (meist in den kurzen Umbaupausen) teilhaben lässt, sind stets das Zuhören wert und sorgen oft für lustige und kurzweilige Momente.

Es soll zudem erwähnt werden, dass Arnulf auf dem Album „300 Days At Sea“ das Cello für die Lieder „Turn The Compass Round“ und „Everything Changes“ eingespielt hat.Am 22. Februar 2016, kurz vor dem Heather Nova-Konzert im niederländischen Nijmegen, konnte ich Arnulf treffen und für heathernova.de interviewen. An dieser Stelle sei ihm für das interessante Gespräch in sehr angenehmer Atmosphäre gedankt. 

Heinz: Mir ist bei den Auftritten aufgefallen, dass du beim Spielen immer gut gelaunt bist. Du spielst richtig gerne Musik?

Arnulf: Ja!

Heinz: Musik machen ist für dich keine Arbeit, oder?

Arnulf: Es ist schon Arbeit, vor allem aber eine Berufung. Ich sehe darin eine Kombination aus Arbeit und spielerischer Hingabe. Es ist etwas, was ich wirklich jeden Tag machen möchte. Zu Hause - beim täglichen Üben, beim Komponieren - ist es aber auch Arbeit. Das muss so sein, wenn ich irgendwann dahin kommen will, wo ich hin will.

Heinz: Und wohin willst du kommen?

Arnulf: Beim Spielen auf der Bühne bin ich im Moment, dann bin ich einfach da, wie ich bin. Das finde ich schön und macht Spaß, und es ist befreiend. Wenn ich aber zu Hause an Stücken arbeite, am Klavier oder am Cello, dann ist da schon ein permanenter Ansporn und eine Motivation, immer besser zu werden. Dieser Ehrgeiz, sich Ziele zu stecken, hat mich immer begleitet.

Heinz: Wie sieht dein musikalischer Werdegang aus?

Arnulf: Ich bin in Wien aufgewachsen. Schon als Kind habe ich mit dem Klavierspielen begonnen und Unterricht genommen. Danach habe ich mir selbst das Gitarre spielen beigebracht, wurde großer Fan der Beatles, insbesondere von Paul McCartney, und habe daraufhin Elektrobass gelernt, wurde für einige Jahre Mitglied einer Popband. Als Jugendlicher entdeckte ich dann über einen Freund den Jazz für mich. Der Freund war Saxofonist und ich stieg in dessen Free Jazz-Partie mit ein. Dabei lernte ich die Musik von bedeutenden Jazzern wie Ornette Coleman, John Coltrane und Carla Bley kennen, ging auch auf Jazzfestivals, hörte Frank Zappa und wollte nun Jazzbassist werden. Dann hörte ich den Rat, wenn man ein Instrument nicht nur gut spielen, sondern auch wirklich beherrschen wolle, dann müsse man es klassisch erlernen. Dies sei die Grundlage, alles weitere folge daraus. Deshalb habe ich mich bei der Wiener Musikuniversität eingeschrieben um klassischen Kontrabass, Klavier und Komposition zu studieren. Meine große Liebe war das Klavier obwohl mein Hauptfach der Kontrabass war. Anschließend habe ich dann Jazz an der Grazer Uni studiert.

Heinz: Und heute spielst du in diversen Band schwerpunktmäßig Bass?

Arnulf: Nein, das stimmt nicht, weil ich auch das Cello immer nebenher gespielt habe. Bei KT Tunstall war ich zwar der Bassist, spielte aber ebenfalls Cello. Heute spiele ich ebenso häufig Cello wie Kontrabass und Bass. Diese drei Instrumente sind beruflich sicherlich meine Hauptinstrumente. Zum Komponieren nutze ich hingegen das Klavier. Deshalb verbringe ich auch mit dem Klavier sehr viel Zeit, und wenn ich es spielen soll, dann mache ich das natürlich auch.

Heinz: Du hast also diese Auswahl an Instrumenten und kannst dir dann aussuchen, was du gerade brauchst?

Arnulf: Ja. Wobei ich sehr gerne bei all diesen unterschiedlichen Instrumenten auf das gleiche hohe Niveau kommen möchte. Das ist mir wichtig, ich arbeite da beständig daran. Es ist fast eine Sisyphusarbeit, aber das ist für mich sehr befriedigend, sehr erfüllend.

Heinz: Ich nehme an, deine berufliche Karriere ging in Österreich los?

Arnulf: Ja, natürlich. Zunächst spielte ich mit Georg Danzer. Später dann auch mit Hubert von Goisern, wir nahmen zusammen zwei Schallplatten auf und tourten viel, vor allem große Hallen. Es war eine tolle Zeit, schön und sehr intensiv. Als Nächstes fing ich dann an, mich besonders für die englische Musikszene zu interessieren. Ich war ehrgeizig, zog nach London, um zu sehen, was dort passiert. Nach kurzer Zeit wurde ich in die Band von Ed Harcourt aufgenommen, einem englischen Singer-Songwriter, der Alternativ Rock macht. Die Musik von Ed Harcourt war künstlerisch genau das, wonach ich gesucht hatte, das hat mich total überzeugt. Mit Ed habe ich in vielen kleinen Clubs gespielt, das war, was ich immer wollte.

Heinz: Du hattest dir also in der englischen Szene einen Namen gemacht. Wie ging es nun weiter?

Arnulf: Ich kam zu KT Tunstall, als sie noch keinen Plattenvertrag hatte und gerade von Schottland nach London gekommen war, und nahm mit ihr in einem Studio auf. Wir haben dann einen Schlagzeuger rekrutiert, Luke Bullen, den kennt ihr Heather-Fans ja auch, er wurde in die KT Tunstall-Band aufgenommen. Und dann ging es los.

Heinz: Und zwar richtig los, nehme ich an?

Arnulf: Ja! KT Tunstall hatte damals den großen Hit „Suddenly I See“. Wir hatten schon zwei Jahre im Wohnzimmer geprobt und zusammen gespielt, und manchmal hatten wir kleine Gigs. Aber plötzlich wurde das ganz groß. Ich konnte nun die Welt bereisen als international tourender Musiker, das war sehr schön.

Heinz: Welche weiteren Projekte hast du seitdem gemacht?

Arnulf: Ich bin auch als Komponist tätig und schreibe beispielsweise die Musik zu Dokumentarfilmen von Bruno Sorrentino. Bruno ist der Regisseur, mit dem ich zumeist zusammenarbeite. Gerade, bevor ich auf Tour gefahren bin, habe ich noch für einen kleinen Film ein bisschen Musik für ihn gemacht. Letztes Jahr habe ich zudem mit Nick Mulvey gespielt, einem englischen Singer-Songwriter. Da spiele ich den Kontrabass und einen elektrischen Stehbass.

Heinz: Was hast du als nächstes vor?

Arnulf: Ich habe momentan wieder große Lust auf klassische Musik, denn ich bin zur Zeit bei einem Kammermusik-Trio dabei, in dem ich das Cello spiele. Auch habe ich zu Hause ein kleines altes Klavier stehen, das ich aufbereitet habe. Da spiele ich dann gerne Chopin-Etuden.

Heinz: Apropos Chopin. Du hast vor einigen Jahren schon mal hier in der Stadsschouwburg Nijmegen gespielt. Nach dem Konzert hast du dich damals mit den Worten verabschiedet, dass du noch etwas Chopin auf dem wunderbaren Flügel im Hause spielen wolltest. War das ein Scherz?

Arnulf: Nein, das war schon ernst. Ich übe viel, auch nach dem Konzert. Das ist mir sehr wichtig.

Heinz: Wie bist du nun zu Heather gekommen?

Arnulf: Das war um den Jahreswechsel 2008/2009. Ich hatte damals im Studio mit Geoff Dugmore gespielt. Und Geoff war zu diesem Zeitpunkt der Schlagzeuger in Heathers Band. Heather brauchte einen Cellisten, einen Multi-Instrumentalisten, der mit ihr auf Tour geht, für ihre akustischen Sachen. Da hat mich Geoff empfohlen. Er hat mich angerufen, er hätte da was für mich. Ich war interessiert. Die erste Tour war für Herbst 2009 geplant.

Heinz: Das heißt, du hattest also viel Zeit zur Vorbereitung?

Arnulf: Nein, ganz im Gegenteil! Es ging alles viel schneller als gedacht, denn es wurde nun zusätzlich auch noch eine kleine, zweiwöchige Festivaltour im Sommer 2009 geplant. Doch Heathers Bassist Bastian Juel konnte die Band auf dieser Sommertour nicht begleiten. Als sich kurzfristig herausgestellt hatte, dass er das nicht machen kann, habe ich gleich den Einstieg mit dieser Sommertour gemacht und nicht erst mit der akustischen Tour im Herbst.

Heinz: Wie bereitet man sich so kurzfristig auf eine Tour vor?

Arnulf: Es war ganz schön intensiv, weil ich da wirklich nur wenig Zeit hatte, um mich vorzubereiten. Es ging aber.

Heinz: Dann folgte die Akustik-Tour im Herbst. Wie ging es damit?

Arnulf: Geprobt haben wir auf Bermuda. Es war echt schön. Aber wir haben jeden Tag auch über acht Stunden geprobt! Eine sehr intensive Arbeit! In zehn Tagen hatten wir den Sound herausgearbeitet. Es war richtig gut.

Heinz: Heather hat dir wahrscheinlich die Akkorde vorgelegt und du bist dann für das Arrangement zuständig, oder?

Arnulf: Heather hat selbst sehr starke Vorstellungen davon, aber wir machen das gemeinsam. Ich biete ihr was an, oder sie hat eine Vorstellung, sie sagt, sie hätte gerne diese Melodie drin oder kannst du das mal versuchen... es ist ein Ping-Pong-Spiel. Das machen wir gemeinsam. Es hat sich über die Jahre ein gemeinsames Verständnis herauskristallisiert.

Heinz: Welchen Kontrabass spielst du mit Heather?

Arnulf: Ich besitze drei Kontrabässe. Auf Tour nehme ich dann nur einen mit, einen 3/4-Bass. Klassische Instrumente sind leicht anders, mit einem großen akustischen Sound. Das brauche ich hier jedoch nicht, weil ich mit Tonabnehmer spiele.

Heinz: Kannst du eigentlich auf der Bühne auch selbst den Sound so hören, wie es für das Publikum im Saal klingt?

Arnulf: Nein, ich habe ein recht offenes Hörsystem, so dass ich auch den Raum höre, aber im Grunde genommen weiß ich nicht genau, wie es da vorne klingt.

Heinz: Du hast eine ganze Batterie von Pedalen. Wie gehst du mit ihnen um?

Arnulf: Ich benutze nicht viele davon. Auf der Bühne verwende ich hauptsächlich ein „Line 6“, es bietet Effekte auf vielen Ebenen, so viele ich nur brauchen kann. Es ist ein Multieffektgerät und klingt auch sehr, sehr gut.

Heinz: Wie bereitest du dich auf Heather-Konzerte vor?

Arnulf: Ich bereite mich je nach Tour unterschiedlich vor. Für die aktuelle Tour habe ich sehr viel gesungen, das war das Erste, womit ich angefangen habe, weil das sehr wichtig ist für die neuen Lieder. Es sind sehr viele Falsetto, also hohe Töne, zu singen. Damit habe ich mich bereits einen Monat vor der Tour erstmals beschäftigt. Und etwa zwei Wochen vor der Tour habe ich dann angefangen, die neuen Lieder verstärkt in meinen täglichen Übungspart hineinzunehmen. Zunächst am Klavier für die Klavierstücke, dann Cello dazu und Gitarre. So habe ich mir die neuen Lieder und den Gesang spielerisch und mit großem Genuss beigebracht.

Heinz: Es geht also nicht von heute auf morgen, sondern man muss sich schon vorbereiten?

Arnulf: Es ginge schon von heute auf morgen, aber dann ist es ganz unangenehm. Dann macht es nicht so viel Spaß, denn dann entsteht Druck und Stress. Es ist für mich viel angenehmer, wenn ich mich mit dem Ganzen tiefer bekannt gemacht habe. Da kann ich dann befreiter und lockerer und sicherlich auch fehlerfreier aufspielen.

Heinz: Was sind deine persönlichen Lieblingssongs in Heathers Repertoire?

Arnulf: Dazu gehört auf jeden Fall „Sea Change“, das ist eine wahnsinnig schöne Komposition. Auch „Women's Hands“ gefällt mir sehr gut. „Sleeping Dogs“ finde ich wunderschön. Heathers jüngstes Album „The Way It Feels“ ist wohl sogar mein Lieblingsalbum von ihr. Es hat eine Stimmung und ist insgesamt eine unglaublich schöne Arbeit, alles ist wie ausgereift. Oftmals ist es ja so, dass sich viele Künstler auf Dauer wiederholen und zu einem Punkt kommen, wo ihnen nichts mehr einfällt. Bei Heather ist das völlig anders. Ich finde, Heathers Songwriting ist aktuell stärker, als es jemals war.

Heinz: Heather macht ja zur Zeit vor allem Akustik-Konzerte. Vermisst du es manchmal, auf der Bühne mit mehreren Musikern zu spielen?

Arnulf: Mir macht es auch Spaß, Teil einer großen Band zu sein. Aber für mich ist das, was ich jetzt mache, eigentlich sogar die schönere Herausforderung. In einer Band fallen kleinere Fehler beim Spielen vielleicht nicht so auf, bei einem Akustik-Konzert jedoch deutlich eher. Aber gerade wenn man mit Songwritern arbeitet, muss man sich dieser Herausforderung stellen, muss man den Ehrgeiz entwickeln, sich immer verbessern zu wollen. Auch ich kann mich noch verbessern, auch ich kann noch so viel lernen. In der Musik hört es einfach nie auf.

Heinz: Leider muss zumindest das Interview jetzt aufhören. Du willst dich ja auch noch auf das heutige Konzert vorbereiten.

Arnulf, viel Freude beim Konzert und vielen Dank für das Interview!

Ein großes Dankeschön an Arnulf Lindner für die professionelle und äußerst angenehme Zusammenarbeit. Es war spannend und hat Spaß gemacht!

Heinz


Interview: Heinz Lamers
Bearbeitung: Bernd Wenisch
Fotos: Johann Bauwens (4), Heinz Lamers (1)

Informationen zu Arnulf Lindner

Musikalische Ausbildung
Studium der Musik:
Klassik an der Universität Wien
und Jazz an der Universität Graz

Live Setup (Akustik-Tour)
Kontrabass (¾): deutsches Instrument von ca 1930.
Cello: Eric Taylor von 1980.
Keyboard: Nordlead Stage Piano
Gitarre: Statocaster
Verstärker: Polyphone Mini Brute oder Fender Princeton.
Multieffektgerät: Line 6 M9
weitere Pedale: Boss Sustain Pedal, Ernie Ball Volumen Pedal